Tauchen, Segeln, Schwimmen: Ronja Becker kann sich ein Leben ohne Wasser nicht vorstellen. Die 20 Jährige studiert Nautik in Elsfleth und fährt aktuell auf der "Antwerpen Express" ihren zweiten Einsatz als Nautische Offiziersanwärterin.
Unterwasser-Rugby? Klingt anstrengend. Aber Ronja Becker winkt ab und sagt: "Okay, der mit Salzwasser gefüllte Ball muss in fünf Metern Tiefe in einen Korb geschoben werden. Das erfordert Kraft und Ausdauer. Aber sonst ist es gar nicht so schlimm. Es macht mir einfach Spaß!" Diese ungewöhnliche Sportart ist nur eines der vielen Hobbys der gebürtigen Utrechterin, zu denen auch Tauchen, Schwimmen, Segeln und Skitourengehen gehören - Wasser ist das A und O! Und da ihr Vater als Kapitän und ihre Mutter als Geologin und Wetterforscherin gearbeitet haben, lag die Seefahrt nicht fern: "Das wollte ich schon immer mal machen", sagt die 20-Jährige. Da sie einen Teil ihrer Kindheit in der walisischen Hafenstadt Cardiff verbrachte, wo Beckers Mutter forschte, sprach sie fließend Englisch. Als sie zehn Jahre alt war, zog ihre Familie nach Karlsruhe in Süddeutschland, wo ihr Vater noch immer ein Institut für Maschinenbau leitet.
Ronja Becker studiert im vierten Semester Nautik in Elsfleth und hat ihre erste Ausbildungsfahrt auf der „Chicago Express“ bereits hinter sich. Von Miami ging es über den Atlantik ins Mittelmeer. Italien, Frankreich, Spanien, dann wieder rüber zur Ostküste der USA. „Auf dieser Reise hat alles gepasst. Die Crew, unsere Ausbilder, das ganze Miteinander. Wir waren 16 Azubis mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen. Manche waren schon fertig mit dem Studium und brauchten nur noch ihre Fahrzeit, andere waren zum ersten Mal auf einem Schiff. Mark Henschel, unser Ausbilder, hat sich für jeden von uns viel Zeit genommen.“ Das Ausbildungsprogramm von Hapag-Lloyd sei anspruchsvoll, aber eines der besten, findet Becker: „Die Kombination aus Theorie und Praxis ist unschlagbar. Was du im Unterricht lernst, kannst du sofort umsetzen, sei es, wie man ein Logbuch führt, sei es die große Wetterbeobachtung alle zwei Stunden.“
Elf Projektarbeiten habe sie insgesamt geschrieben: „Von Astronomischer Kompasskontrolle über Kraftstoffsysteme bis hin zum Brandschutz war alles dabei.“ Und wie steht’s mit der Freizeit? „Wir hatten so um die 2.000 Filme an Bord“, lacht Becker. Unvergessen: das große Pizzabacken, passenderweise vor der italienischen Küste: „Wir Azubis haben die Küche übernommen und für die ganze Besatzung gebacken – das war lustig.“ Und welcher Landgang hat sie am meisten begeistert? „Da bin ich ein schlechtes Beispiel“, sagt sie fast zerknirscht: „Ich geh gar nicht so gern an Land, helfe lieber im Maschinen- raum aus. Faszinierend, die verschiede- nen Systeme und die Zusammenhänge der einzelnen Maschinen-Aggregate kennenzulernen.“
Nicht nur Maschinenräume, auch Großsegler begeistern Becker. „Zum 18. Geburtstag schenkten mir meine Eltern eine Reise auf der ,Alexander von Humboldt II‘.“ Zwei Wochen sollte der Aufenthalt auf der Dreimastbark dauern. Becker machte vier Monate daraus. „Von Travemünde ging es mehrfach hoch nach Schweden, Norwegen und zurück, alles ohne Landgang wegen Corona. Wachegehen, Steuern, Ausguck, Hochklettern in die Masten und Segel losmachen – ich wurde sogar Toppsmatrosin in der Stammcrew.“ Dass sie an Bord auch ihren Freund kennen- und lieben lernte und schwanger wurde, erzählt sie wie nebenbei – und muss dann doch lächeln: „Geplant war das nicht, aber wir waren uns schnell sicher, dass wir das beide wollen.“ Maarten, ihr Freund, stammt ebenfalls aus einer Seefahrerfamilie. Aktuell arbeitet er in Elsfleth an Land und kümmert sich um den bald zweijährigen Emil, sobald Ronja Becker in See sticht.
„Natürlich habe ich meinen Sohn auf der letzten Reise vermisst – und wie! Aber es gibt so viele Möglichkeiten, Kontakt zu halten.“ Die Wände ihrer Kammer an Bord bestückt sie mit Fotos ihrer Lieben: „Ich weiß, dass es Emil zu Hause gut geht, dass er auch bei Oma und Opa glücklich ist.“ Was sie ärgert, sind Sprüche wie „Ach, du hast ein Kind? Dann ist es wohl vorbei mit der Seefahrt“. „Das würde man zu keinem jungen Vater sagen!“, empört sie sich und möchte Frauen Mut machen: „Wenn ich gefragt werde, wie ich das alles schaffe, trotz Kind, sage ich immer: ,Ich schaffe das nicht trotz, sondern mit Kind!‘ Seefahrt und Familie sind sehr wohl miteinander vereinbar!“ Nur dass das Internet an Bord nicht immer funktioniert, sei ein Manko. „Da kann sich Hapag-Lloyd gern noch was einfallen lassen.“
Auf eigene Vorbilder angesprochen fallen Becker als Erstes die Kapitäne Klaus Ricke und Immo von Schnurbein ein, beide über 80 Jahre alt. „Wie sie mit der Mannschaft auf der ,Alex 2‘ umgingen, mit diesem Mix aus Freundlichkeit und verlässlichen Ansagen, dazu ihre unglaubliche Erfahrung. Davon konnte ich mir viel abschauen.“ Und dann sind da noch die Heldinnen ihrer Kindheit: Pipi Langstrumpf und Ronja Räubertochter. Letztere war zwar nicht Inspiration für ihren Vornamen, Ronja Becker fühlt sich trotzdem tief mit ihr verbunden. „Ronja Räubertochter ist so spontan, naturverbunden und voller Lebensfreu- de, da finde ich mich wieder“, erzählt sie und ergänzt lachend: „An Bord der ,Alex 2‘ habe ich auf meinen Wachgängen die Kommandos manchmal gesungen – weil es einfach schöner war.“ Ende Januar hieß Beckers nächster Hafen New York. Hier musterte sie auf der „Antwerpen Express“ an. „Der Abschied von Emil und Maarten war hart. Aber ich freue mich auf die Reise und bin hoffentlich rechtzeitig zum zweitem Geburtstag unseres Sohnes zu Hause“, sagt sie und lächelt: „Falls nicht, feiern wir einfach später. Emil hat’s noch nicht so mit exakten Daten.“